BZ: Mingjun Luo, wo liegt der Unterschied zwischen Ihrer Malerei und der chinesischen Tradition ?
Mingjun Luo: Der Unterschied besteht in der Komposition und in den Sujets. Bei mir gibt es keine Landschaften oder Gegenstände. Natürlich gibt es eine Verbindung zur Tradition. Was ich hier am meisten liebe, ist die Kalligraphie.
Ist Ihre Arbeit also Kalligraphie?
Meine Bilder sind keine Kalligraphie. Ich schreibe kein Wort. Aber ich liebe es, wenn der Eindruck von Kalligraphie entsteht, diese Verbindung von Weiss und Schwarz.
In einem früheren Werk haben Sie aber Texte des Philosophen Lao Tse verwendet.
Mit dieser dreiteiligen Arbeit wollte ich meine Gedanken über das Leben präsentieren. Im letzten Teil der Arbeit etwa schrieb ich Texte des Philosophen auf den Boden. Damit wollte ich zeigen, dass die Philosophie ein sehr fragiler, aber starker Teil der Kultur ist. Wer über den Text schreitet, zerstört zwar den Text, nicht aber die Idee. Genau das ist auch bei den Büchervernichtungen der Fall.
Haben Sie in China Kalligraphie studiert?
In China machte ich eine sehr traditionelle Ausbildung in europäischer Malerei. Aber selbstverständlich lernte ich wie alle Chinesen schon von Kind an die Schrift und damit die Kalligraphie. In China malte ich vor allem. Erst als ich 1987 nach Europa kam, schenkte ich der Schrift und der Kalligraphie mehr Beachtung. Es war eine Art von Heimweh. Es tat mir gut, das Reispapier zu fühlen und die Tusche zu riechen.
Wie ist Ihr Bezug zur zeitgenossischen Kunst in der Schweiz?
Ich fühle mich durch sie ermutigt, denn schon in China habe ich viele Versuche gemacht, um mich von einem engen Verständnis der Malerei zu befreien. Deswegen glaube ich, dass ich gleich arbeiten würde, auch wenn ich in China geblieben wäre. Denn schon in den achtziger Jahren gab es in allen grossen Städten China Gruppierungen von jungen Künstlern, die eine andere, eine kritische Kunst zu machen versuchten.
Interview: Konrad Tobler
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